Einige Überlegungen zur didaktischen Reduktion - vgl. auch "Didaktische Analyse"

Aus den unterschiedlichen Wegen, innerhalb der Stofffülle aus komplexen Inhalten sowohl einfache („fassliche“) als auch elementare („kategoriale“) herauszufinden, lässt sich die curriculare Methode [vgl. E. Dauenhauer, Curriculumforschung, UTB Verlag, S. 59 ff., 1976] als seinerzeit praktikabel feststellen.

Die umfassende Ermittlung der aus einem Curriculum folgenden didaktischen Entscheidungen der Stoffauswahl können den notwendigen Grad der Aktualität heutigen Lernstoffes nicht mehr gewährleisten. Weitere Anpassungen, möglicherweise Vereinfachungen zugunsten primärstruktureller Aussagen erscheinen deshalb notwendig.

Zur Erinnerung:
  • stoffstrukturelles und kategoriales Denken

Diese didaktische Zurüstung mündet in eine für den Lernenden geeignete formallogische und wissenschaftlich korrekte Transformation der Lerninhalte. Durch ihre vermittelten „Gerüsteinsichten“ (Stammbegriffe) vorhandenen Strukturen wahren die elementaren Zusammenhänge. Zunehmend liegt die Problematik dabei in der Dynamik des wissenschaftlichen Fortschritts, also der hierauf bezogenen Inhalte (Ausgangsaussage).

Das zu vermittelnde kategoriale Stoffgerüst wird notwendigerweise durch eine weitergehende Struktur – einer Algorithmenorientierung (EDV) – ergänzt bzw. dominiert:

  • algorithmisches Denken

Für viele Aufgaben reicht es, wenn der Lernende in der Lage ist, dem vorgeschriebenen „Lösungsweg“ (z. B. Bildschirmformular) zu folgen. Abhängig von einem dafür formulierten Lernziel (z. B. erforderliche Formulardaten festlegen bzw. eintragen) bedarf es also nicht mehr des ursprünglich notwendigen Hintergrundwissens.

Anwendungsbeispiel:

Eine Sachbearbeiterin ist für die Überwachung der Lagerbestände zuständig. Je nach Grad der Organisation des Betriebes muss sie

  1. lediglich diejenigen Lagerbestände erfassen, welche bei den Abgängen gegenüber dem durchschnittlichen Maß von einem bestimmten Wert (Normalwert) abweichen;
  2. Sämtliche Bestände auf das mögliche Erreichen der Meldebestände in einer Übersichtstabelle kontrollieren und im Bedarfsfall für Nachlieferung mithilfe einer Bedarfsmeldung (MBd) sorgen;
  3. Wie vor, jedoch erst, nachdem die Berechnungsgrundlagen wie durchschnittlicher Tagesumsatz und Beschaffungszeit überprüft worden sind;
  4. Wie vor, jedoch erst, nachdem zu den Berechnungsgrundlagen noch mögliche Umsatzerwartungen einbezogen wurden.
  • Lernzielhintergrund

Grad 1: Einblick/Fähigkeit

Eine Sachbearbeiterin soll die Lagerbestände erfassen, welche bei den Abgängen gegenüber dem durchschnittlichen Maß von einem bestimmten Wert (Normalwert) abweichen.

Grad 2: Überblick/Fähigkeit

Wie vor, jedoch sämtliche Bestände auf das mögliche Erreichen der Meldebestände in einer Übersichtstabelle kontrollieren und im Bedarfsfall für Nachlieferung mithilfe einer Bedarfsmeldung (MBd) sorgen.

Grad 3: Kenntnis/Fähigkeit

Wie vor, jedoch nachdem die Berechnungsgrundlagen wie durchschnittlicher Tagesumsatz und Beschaffungszeit überprüft worden sind.

Betriebliche Verwaltungen arbeiten nach standardisierten Abläufen, welche hochintegriert in vernetzten Strukturen vorgegeben sind (z. B. ERP, SCM) und bereits in ihrer Komplexität z. B. Liefer- und Produktketten abbilden.

Auf der sog. Sachbearbeitungsebene erwartet man nur die grundlegenden Kenntnisse und Fähigkeiten. Für eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter verliert an Bedeutung, welche Lösungsschritte und Daten im Einzelnen (innerhalb einer „Black Box“) einwirken.  

Black Box

Für die Formen schulischer Ausbildung hat dies m. E. nachhaltige Folgen:

Der Grad stofflicher Vereinfachung (didaktische Reduktion) kann möglicherweise nicht mehr den bekannten Grundsätzen folgen:

  • Rückführung (Reduktion) des Lernstoffes auf grundlegende Sachverhalte,
  • Passung des Lernstoffes zur Lehr- und Lernkapazität – bei –
  • Wahrung einer hohen Erschließungseffektivität der dargebotenen Inhalte.

In die falsche Richtung zeigt eine Entwicklung, deren grundlegendes Lernziel etwa lautet: „Für diesen Arbeitsplatz ist es ausreichend, wenn Sie mit einem bestimmten Programmzweig der Lagerbuchführung umgehen können …“

ChatGpt Logo

Lerninhalte als Ergebnis einer Abfrage an sogenannte „Künstliche Intelligenz“ (KI) – Beispiel ChatGpt (vgl. https://chat.openai.com). Ein Themenbeispiel aus dem Themenbereich „Möglichkeiten der Geldanlage“ [14]

KI-Antwort …

(Erstellt: Juni 2023)
„Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, Geld anzulegen, abhängig von deinen finanziellen Zielen, deiner Risikobereitschaft und deiner Anlagestrategie. Hier sind einige gängige Optionen: … (weiter zum Punkt „ChatGpt Geldanlage“)

Es bleibt abzuwarten und spannend, wie durch Ansätze künstlicher Intelligenz (KI) komplexe Zusammenhänge in Form einer didaktischen Zurüstung möglich sind (vgl. dazu unten Didaktische Reduktion).

Folgen für eine strukturierte und adäquate Form einer didaktischen Zurüstung der Bürosimulation:

Das Strukturelement „TABELLE“:

  • Datensatz als eine logische Einheit zusammengehöriger Datenfelder (z. B. A1 bis D1)
  • Eine Auswahl von Datensätzen (z. B. Filterung über eine oder mehrere Feldeigenschaften aus A, B, … usw.) oder als Ergebnis einer Datenbankabfrage
  • Der Inhalt eines Feldes ist über eine Referenz, also der Angabe einer bestimmten Spalte (z. B. C) und der zugehörenden Zeile (z. B. 4) erreichbar (= Adresse).
Das Strukturelement „DATENSPEICHERUNG“
  • Möglichst redundanzfreies Aufbewahren von Daten in einer Datenbank

Das Strukturelement „DATENABFRAGE“

Datenabfrage
  • Grundlegende Formen der Datenselektion über gängige Algorithmen

Innerhalb einer praktischen Umsetzung lassen sich im Lernbüro grundlegende Lernstufen bereits innerhalb eines manuellen Umgangs erfahren.

Beispiele:

  • Anlegen einer Personalkartei mit Personalfragebogen, Personalstamm- bzw. Bewegungsdaten, Gehaltsliste,
  • Anlegen einer Artikelkartei mit Artikelstamm- und Bewegungsdaten, Lagerbestandsliste.

Konsequenzen für Lernziele, didaktische Reduktion und Stoffstruktur einer aktuellen Bürosimulation

Lernziele folgen den eher funktionalen Anforderungen am Arbeitsplatz.

Klassische Reduktionsprinzipien werden zur Reduktion der Inhalte nur noch teilweise herangezogen [vgl. H. Speth, Prof. Dr., Methodik und Didaktik des Wirtschaftslehreunterrichts, Rinteln, 1977, Bd. 2, S. 16 ff], z. B.

  1. Welche Wissensinhalte sind von besonderer Bedeutung („wertvordringlich“)?
  2. Erfüllen die Inhalte den notwendigen „Grad der Wissenschaftlichkeit“?
  3. Sind die zu vermittelnden Inhalte ausreichend aktuell, gewährleisten sie die notwendige Verwendbarkeit?

Ergänzend zum Ergebnis einer „Passung von Stoffmenge zur Lehr- und Lernkapazität“ ist der Aspekt der Berufschance zu sehen. Das Arbeitsplatzangebot lässt einen Wandel erkennen. So wird innerhalb eines Bewerbungsgesprächs möglicherweise eher die Frage bedeutsam, unter welcher Branchensoftware Erfahrungen gesammelt werden konnten.

Die EDV-Organisation vereinnahmt die bisher etablierten Tätigkeiten innerhalb der Ausführungsebene (Sachbearbeiterin / Sachbearbeiter), reduziert diese auf Teilabläufe bzw. wenige Eingriffe (Ein- bzw. Ausgabeoperationen).

Mögliche Folgen für die didaktische Reduktion der Lerninhalte im Unterricht berufsbildender Schulen

Grundsätzliche Reduktionsprinzipien

Reduktionsprinzipien

Die für ein vorgesehenes Thema vorhandenen Inhalte können in einer sogenannten Ausgangsaussage vollständig und wissenschaftlich korrekt zusammengefasst sein.

Die zugrundeliegenden Lernziele sind vereinfacht durch eine Inhalts- und eine Verhaltens- (Handlungs-)Komponente grob definiert.

Die didaktische Reduktion kann durch eine quantitative und/oder qualitative Anpassung in unterschiedlicher Intensität erfolgen.

Wird ein ausreichendes Maß an Erschließungseffektivität gewahrt, können Lernende nach und nach widerspruchsfrei auf die mögliche Ausgangsaussage bzw. einen umfassenderen Stoffumfang ergänzen.

Beispiel zu möglichen verbalen Arbeitsanweisungen innerhalb der Bürosimulation

Abteilung Lager/Versand:

Impuls: Lagerbestände erreichen festgelegten Meldebestand

Reduktionsvorlage 1 nach Lernzielvorgabe 1

  1. lediglich diejenigen Lagerbestände erfassen, welche bei den Abgängen gegenüber dem durchschnittlichen Maß von einem bestimmten Wert (Normalwert) abweichen.
    Lernziel 1: Einblick/Fähigkeit
    Eine Sachbearbeiterin soll die Lagerbestände erfassen, welche bei den Abgängen gegenüber dem durchschnittlichen Maß von einem bestimmten Wert (Normalwert) abweichen.
    Abweichung in einer Erfassungsliste (= Tabelle) festhalten:

Text: Ergänzen Sie die vorgegebene Liste bei Artikeln, deren IST-Bestand vom SOLL-Bestand abweicht … (alternativ: benutzen Sie das vorhandene Gerät zur mobilen Datenerfassung MDE).

Reduktionsvorlage 2 nach Lernzielvorgabe 2

weitere Differenzierungsbeispiele siehe Seite 1 …

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